In La Ultima Esperanza angekommen

08.03.16 — Wieder einen Tag „Zwangspause“ eingelegt. Dies ist die regenreichste Region in Südamerika, da muss man sich nicht wundern, wenn es jeden zweiten Tag wie aus Eimern giesst. Thomas wollte zwar los, ich wollte aber den schwierigen Paso Kirke nicht in Regen und Starkwind machen. Wir studieren gemeinsam mit Jean-Loup und Marianne die verschiedenen Tidentabellen, die wir haben, und werden nicht so richtig schlau. Die Informationen sind nicht in sich schlüssig. Daher fragen wir die Fischer. Die sagen: gegen Mittag passieren (nach der Tidentabelle ist das genau die Zeit mit dem stärksten mitlaufenden Strom), sowie Vögel und Kelp beobachten.

Wir machen uns schliesslich Tags drauf gegen Mittag (ohne Regen) auf den Weg und können den größten Teil der Strecke segeln. Nicht so bequem wie vor zwei Tagen, der Wind ist launisch, kommt mal aus der einen und einen Moment später wieder aus der anderen Richtung. Ein bisschen Übung tut uns gut ;-).

Kurz vor dem Canal Kirke sehen wir dann ein Passagierschiff, das aus dem Canal White kommt, der alternativen Route nach Puerto Natales. Der Lotse müsste wissen wann Stillwasser ist denken wir und ich funke sie an. Es stellt sich raus, es ist die MS Bremen und ich habe eine nette Unterhaltung in Deutsch mit dem Kapitän, der seinen Pilot bittet die Informationen für uns heraus zu suchen. Er gibt mir die gleichen Zeiten durch, die in der Tabelle der Armada stehen, plus eine Stunde! Sommerzeit hat mich schon immer irritiert. Das bedeutet, wir werden am Paso Kirke ankommen, wenn mit der stärksten Strömung, 2,8 Knoten nach Süd-Ost setzend, zu rechnen ist. Das passt ja mal wieder hervorragend. Wobei 2,8 Knoten harmlos klingen. Die Seekarte gibt ein Maximum von immerhin 10-12 Knoten an. Wir beschliessen es zu versuchen.

Vor dem Engpass begrüsst uns und auch die YAO! eine übermütige Gruppe von Seelöwen. Die wollen wohl genau wissen, wer wir sind. Sie kommen ganz nah, strecken ihren Kopf neugierig aus dem Wasser und springen hoch heraus, um einen bessern Blick zu erhaschen. Die Vögel sitzen in windgeschützten Ecken. Den Kelp können wir nicht lesen, dafür muss man wohl Fischer sein. Wir nähern uns vorsichtig und ich kann deutlich einen riesigen Wasserwirbel erkennen. Abbruch! Vielleicht doch besser ankern und abwarten. Kaum ist der Anker unten, beobachten wir ein kleines Fischerboot, das in umgekehrter Richtung den Paso passiert. Na wenn das so ist … Thomas funkt Jean-Loup an und bittet den „tidenerfahrenen“ Bretonen vorzufahren. Vorsichtig folgen wir. Ich beobachte die Instrumente. In der Tat wir haben 3,5 bis 4 Knoten mitlaufenden Strom. Zum Glück kommen Strom und Wind aus der gleichen Richtung und so geht alles gut. Nur einmal schiebt der schon erwähnte Wasserwirbel Kalibu deutlich auf die Seite. Marianne hat den „Schlenker“ in einer kleinen Filmaufnahme dokumentiert. Diese bestaunen wir bei einem gemeinsamen Abendessen, das Leonard für uns gekocht hat.

10.03.16 — Aus der Provinz Antarctica sind wir über Magellanes nach La Ultima Esperanza, was nichts anderes als „die letzte Hoffnung“ bedeutet, gefahren. Passt irgendwie. Die Landschaft ist trocken, karg und staubig, nicht viel mehr als von Schafherden abgegraste braune Wiesen mit wenigem Gestrüpp zwischendurch. Der Wind fegt gnadenlos von den Anden durch die Täler und trotzdem findet man dann plötzlich Flamingos und Schwäne mit schwarzen Hälsen. Ich bin überrascht. Und natürlich das wunderschöne Panorama des Torres del Paine!

13.03.16 — Zwischenstopp in Puerto Natales. Seit unserem letzten Großeinkauf in Buenos Aires sind nun fast drei Monate vergangen. Uns geht das Mehl zum Brotbacken, das Müsli fürs Frühstück und vor allem frisches Obst und Gemüse aus. In Puerto Williams, das genau genommen nicht viel mehr als eine Armadastation ist, war ja nicht so viel zu holen. Puerto Natales hingegen ist der Ausgangspunkt von fast allen Touren, die zu den berühmten Torres del Paine führen. Entsprechend touristisch ist es geprägt. Viele Hostels, Restaurants, Cafés und viele abenteuerlustige Reisende, die unbedingt zu den berühmten Bergen und zum patagonischen Eisfeld wollen. Die Pizza, die wir uns gönnen, ist nicht zu verachten. Das Ambiente des Restaurants international, mit anderen Worten kein Unterschied zu Berlin. Der Supermarkt einigermassen gut sortiert. Für die undichte Düse von unserem Petroleumofen finden wir einen Handwerker. Den brauchen wir schliesslich. Je nach Windrichtung sinken die Temperaturen rapide.

Kleiner Wermutstropfen, die Liegesituation für Segelboote ist katastrophal. Natales liegt exponiert, es hat keinen Naturhafen (natürlich auch keine Marina 😉 und regelmässig fegt nachmittags ein lokaler Nordwind Stärke 6, in Böen Stärke 7,  den Canal hinunter.  Hinzu kommen die Depressionen aus dem Südpazifik, die hier mit Stärke 8-9 ankommen, so dass es auch nachts keine Atempause gibt.

Obwohl wir uns gleich nach Ankunft in den etwas geschützteren Estéro Eberhardt verzogen haben, sind wir in ständiger Sorge, dass uns unser Boot „abhaut“. Die YAO! hat die letzte Nacht mit 7 Ankermanövern verbracht und hat nun heute morgen eine Landleine gelegt. Nach drei Anläufen hält unser Anker erst mal. Alle notwendigen Besorgungen wollen wir trotzdem schnell erledigen, damit wir uns ggf. schnell in eine geschützte Caleta verziehen können. Immerhin soll der März hier der stürmischste Monat sein, das besagen die Statistiken der Rettungsaktionen der Armada.

Auf die Armada ist Verlass! Der Cara Mia (Markkus finnische Swan, die in der Caleta Horno neben uns lag) sind sie kürzlich am Paso del Mar in der Magellanstrasse zur Hilfe gekommen. Marrku hatte wohl etwas zu viel Vertrauen ins seine Swan. Wir vermuten, er hat gegen Wind und Pazifikwelle angekämpft und das Material (Segel!?) hat dann irgendwann den Geist aufgegeben. Jedenfalls wurde seine Mitseglerin nach Punta Arenas gebracht, aber Markku liess sein Boot nicht allein zurück. Genaueres werden wir erfahren, wenn er hier eintrifft.

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Auf dem Weg zur Magellanstrasse

 

29.02.2016 —  Die Magellanstrasse präsentierte sich ihrem Ruf entsprechend. Am Paso Inglés erwischten uns gleiche mehrere Squalls mit bis zu 35 Knoten Wind und Regen (das ausgerechnet bei meiner kurzen Wache). Für plötzlich herannahende Squalls ist diese Passage schliesslich berühmt. Uns blieb nichts anderes übrig, als uns in eine geschützte Caleta zurückzuziehen und besseres Wetter abzuwarten.

Magellanstrasse und Bahia Playa Parda

Tags drauf erhielten wir schlechte Nachrichten von der Galatee und sind besorgt um unsere Segelfreundin Shu-In. Sie hat sich beim Leinenmanöver beide Hände verletzt, Finger gebrochen und ein Teil des Daumens verloren, und wurde von einem Fischerboot nach Punta Arenas gebracht. Nicht schön.

Um so vorsichtiger gehen wir jetzt mit unseren Leinen um. Das Ablegemanöver, Leinen einsammeln und Anker heben, ist eh schon zeitaufwendig und dauerte in der Regel eine Stunde. Wir hatten es trotzdem eilig, weil auch die Magellanstrasse eine berüchtigte Engstelle hat, den Paso Tortuoso. Mit 1.5 Meilen kein Vergleich zum Paso Shag. Entscheidend sind aber nicht die Dimensionen, sondern die Strömung, die in den Karten verzeichnet ist. Stillwasser war in etwa zwischen 8:00 und 9:00 Uhr zu erwarten (1-2 Stunden vor HW in Bahia Tilly). Eile war geboten. Diesmal war unsere Annahme stimmig. Fast ohne Gegenstrom konnten wir zur wunderschön gelegenen Bahia Playa Parda fahren und dort schon kurz nach Mittag den Anker fallen lassen.

Kanadische Bieber in Südamerika?

Die wurden von der argentinischen Regierung vor nicht allzu langer Zeit hier angesiedelt und sie haben sich rasend schnell verbreitet. Sie waren in dieser, an Landsäugern armen Gegend als einfache Jagdbeute gedacht und sollten die lokale Pelzindustrie bereichern. Es fehlten aber die Fressfeinde und so zerstören sie heute die empfindlichen Uferregionen und hinterlassen Sümpfe mit toten kahlen Baumstümpfen. Die Südbuche kann nämlich nicht überleben, wenn ihre Wurzeln im Sumpf stehen. Nicht verwunderlich, dass der Bieber, der in Deutschland zu den gefährdeten Arten zählt, hier nicht sehr geliebt wird. Es gibt sogar Überlegungen, die Art auf der Insel Feuerland komplett auszurotten. „The Beaver must die.“ Das würde schlappe 35 Millionen Dollar kosten, mit ungewissem Ausgang.

 

Keine einfache Entscheidung. Was soll oder kann Naturschutz leisten? Muss diese einzigartige, bislang nahezu unberührte eiszeitliche Urlandschaft unbedingt unverändert erhalten werden? Können bereits begangene Fehler noch mal rückgängig gemacht werden? Die Chilenen versuchen zumindest das empfindliche Habitat weitestgehend zu schützen. Für den Segler, der die Kanäle vor sich hat, bedeutet dies, dass er sich nur unter Schwierigkeiten mit frischem Proviant versorgen kann. Bei der Einreise, dürfen keine Früchte, Gemüse, Honig, Fleisch, Saatgut, Milchprodukte oder andere tierische Produkte mitgebracht werden.

Trotz alledem war es für uns interessant die Bieber zu sehen. Am zweiten Tag machten wir uns also wieder auf den Weg zur Bieberburg und nach kurzem Warten erschien dann auch einer. Vorsichtig schwamm er herum und näherte sich sogar. Jedoch vermuten wir, dass er uns bemerkte. Er blieb jedenfalls im Wasser. Wir konnten vom zweitgrössten Nagetier nur den Kopf sehen.