Christliche Pilgerstätten und der Syrien-Konflikt

05.2019 – Unserer erster Ausflug ins Landesinnere Israels führt uns zu verschiedenen Pilgerstätten der christlichen Welt und zu den umstrittenen Golanhöhen.

Natürlich ist Nazareth, der Ort an dem Jesus seine Jugend verbrachte einen Besuch wert. Wir wollen uns erst einen Überblick von einem der umliegenden Hügel verschaffen und stellen fest, von der alten Stadt ist wenig zu erkennen, nur die neue Verkündungsbasilika (wahrscheinlich kündigte hier Erzengel Gabriel Maria die Geburt Jesus an), die in den 60iger Jahren in brutalistischem Stil über die Verkündigungsgrotte gebaut wurde, ragt aus dem Gewirr von alten, oft wenig gepflegten Häusern und Gassen heraus. Wir sind überrascht, dass über die Verkündigungsstätte, eine kleine Felsengrotte, dieser ungewöhnliche massige Kuppelbau gesetzt wurde. Drei Ebenen – die mit der Grotte, den Ruinen einer Kreuzfahrerbasilika und als oberste Ebene eine Marienbasilika – sind so organisiert, dass sie durch eine zentrale Kuppel räumlich miteinander verbunden sind. Gleich danben steht die Josefskirche, eine einschiffige Basilika. Auch sie wurde über einen, für die katholische Kirche historisch bedeutsamen Ort, nämlich die Unterkunft und Schneiderwerkstatt des Josef, erbaut. So ganz sicher ist man sich mit den historischen Orten jedoch nicht, denn die griechisch-orthodoxe Gabrielskirche wurde 1750 über einer Grotte und heiligen Quelle erbaut, die ebenfalls als Verkündigungsstätte gehandelt wird.

Wir übernachten in einem Dorf, das früher sicher ein Kibbuz war, zumindest vermuten wir dies, aufgrund des Tores und des umlaufenden Zauns um das Dorf. Die Aussicht von unserem kleinen Apartment ist grandios und im Dorf spricht keiner Englisch, wahrscheinlich eher Russisch. Um fünf werden „die Bürgersteige hochgeklappt“.

Blick auf See Genezareth

Weiter geht es in Richtung See Genezareth, der Stätte, an der erwachsene Jesus lebte und wirkte. Der See liegt mehr als 200 Meter unter dem Meeresspiegel, ist Teil des Jordangrabens und das wichtigste Süsswasserreservoir Israels. Von hier aus werden grosse Teile Tel Avivs bis hin zur südlich angrenzenden Wüste Negev mit Trinkwasser versorgt. Kaum verwunderlich, der Wasserstand sinkt seit Jahren kontinuierlich. Das kann verheerende Folgen haben, denn der See hat eine tief liegende Salzwasserschicht und könnte komplett versalzen, wenn die Süsswasserschicht zu dünn wird. Wir erreichen den See über den Berg der Seligpreisung, dem Ort an dem Jesus vor vielen Anhängern die Bergpredigt abhielt. Bevor wir das an diesem Ort errichtete Kloster mit seiner schönen achteckigen, den Blick auf den See freigebenden Kirche, erreichen, fällt uns ein moderner, etwas oberhalb gelegener Betonbau auf, den wir neugierig ansteuern.

Domus Galilaeae Zentrum

Unsere Karte sagt, es handelt sich dabei um ein Kloster mit Namen, Domus Galilaeae. Ein modernes Klostergebäude, das wollen wir unbedingt besichtigen und sind dann aber trotzdem angenehm überrascht, als uns in der Eingangshalle von einer älteren Dame gesagt wird, wir sollten einen Moment Geduld haben, sie ruft einen englisch sprechenden Führer. Dieser kommt aus Ungarn, verbringt hier einen Teil seiner Ausbildung und zeigt uns die gesamte Anlage. Wir werden nicht so ganz schlau draus, ein richtiges Kloster ist es jedenfalls nicht, eher ein Seminarhaus und eine Art Begegnungsstätte, für angehende Priester und christliche Pilger. Er spricht von einer reformorientierten Bewegung innerhalb der katholischen Kirche, die sich nach dem 2. Vatikanischen Konzil herausgebildet hat und unter anderem die Erneuerung der Kirche und die ökumenische Annäherung verschiedener Konfessionen fördern möchte. Das Gebäude wurde von einem Künstler entworfen und bietet von fast allen Räumen wunderschöne Ausblicke über die Landschaft. Eine schnelle Recherche im Internet verweist auf eine Gruppe mit der Bezeichnung „Neo-Katechumenaler Weg“. Ein kritischer Zeit-online Artikel bescheinigt dem Weg sektiererische Tendenzen.

See Genezareth vom Franziskanerkloster auf dem Berg der Seligpreisung

Auf dem Weg zu unserer nächsten Station, den Golanhöhen, kommen wir an weiteren Wirkungsstätten von Jesus vorbei. Diese sind leicht an den Massen an Bussen zu erkennen, die sich davor drängen. Weiter nördlich jedoch, in den Bergen, entspannt sich die Lage, es wird einsamer. Das Hochplateau wird in grossen Teilen von Israel oder den UN-Friedenstruppen kontrolliert, gehört aber nach wir vor zu Syrien. Streng genommen sind wir somit auf syrischem Boden unterwegs. Ob Israel das Gebiet jemals wieder aufgeben wird, ist fraglich, denn hier befinden sich wichtige Quellflüsse, die den Jordan und den See Genezareth speisen und es wurden Ölvorkommen bei Probebohrungen gefunden.

In den Golanhöhen – Blick vom Mount Bental auf die noch schneebedeckten Gipfel des Hermon

Militärische Befestigungsanlagen auf dem Mount Bental – von hier kann man auf die zerstörte Stadt Quneitra in Syrien blicken

Wir fahren zum Berg Bental, ein erloschener Vulkan und militärischer Stüztpunkt der Israelis, hoch. Genau hier verläuft die gegenwärtig umstrittene Grenze zwischen Syrien und Israel. Heute ist der 71. Unabhängigkeitstag in Israel, den viele Israelis in Gedenken an die Opfer der verschiedenen kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Nachbarn verbringen. Auf dem Rückweg entlang der syrischen Grenze treffen wir daher vielerorts auf  Menschen, die Blumen ablegen und wir entdecken vor sich hin rostende Panzer in der Landschaft. Ab und zu sieht man ein umzäuntes und videoüberwachtes Dorf, eine israelische Siedlung die strategisch dort erbaut wurde, um den territorialen Anspruch Israels zu untermauern.

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