Inselhopping in den Friendly Islands

Wie nicht anders zu erwarten, sammeln sich in Pangai mehr und mehr Boote an, die sich von hier den „Absprung“ nach Neuseeland vorgenommen haben. Alle klagen über die ungenauen Wettervorhersagen – in der vorausgegangenen Nacht windete und gewitterte es mal wieder ordentlich – und spekulieren, wie das ideale Wetterfenster aussehen sollte.
Noch ein Grund mehr für uns, uns so schnell wie möglich auf den Weg zu machen. So nett die Tongaer auch sind (Friendly Islands!), so schön die mit Palmen begrenzten Sandstrände, so angenehm das warme Wasser, wir sehnen uns nach neuen Eindrücken. Nur leider kommt uns dann doch noch ein starker Südwind, der für Mittwoch bis Freitag vorhergesagt ist, in die Quere. 30 Knoten+, da können wir nicht gegen an segeln. Einzige Alternative wäre im Minerva Riff einen Stop einzulegen. Dort bei Starkwind zu ankern können wir uns aber auch nicht so richtig vorstellen. Das Minerva Riff markiert den süd-westlichsten Punkt Tongas oder Fidschis südöstlichsten Punkt – je nachdem, Ansprüche erheben jedenfalls beide Länder. Es handelt sich dabei um ein Atoll, das sich im Entstehungsprozess befindet. Wikipedia sagt, dass die höchsten Stellen des Saumriffs bei mittlerem Tidenhub „bereits“ aus dem Wasser ragen. Die höchsten Stellen wohlgemerkt. Anders gesagt die Riffe liegen grösstenteils unter Wasser und bieten Null Schutz gegen Wind. Darüber hinaus wissen wir aus Erfahrung, ankern auf Korallensand ist mit Vorsicht zu geniessen.
Wir entscheiden daher, obwohl wir schon aus Tonga ausklariert sind, die nächsten Tage von Insel zu Insel zu „hüpfen“ und damit die Reise etwas zu verzögern. Erster Zwischenstopp ist die südwestlich gelegene, nur 20 Meilen entfernte Insel Haafevai.


Der Ankerplatz sieht auf der Karte ideal aus, gegen die vorherrschenden Winde geschützt und von Riffen umgeben. Er wird auch als sicher und ruhig in den Handbüchern beschrieben. Das ist wohl relativ. Als wir ankamen stellen wir schnell fest, vom angeblichen Schutz durch die Riffe ist wenig zu spüren. Kalibu rollt fürchterlich, an Schlaf ist nicht zu denken. Froh die Nacht überstanden zu haben, heben wir am nächsten Morgen, nach dem obligatorischen Schulprogramm der Kinder, schnell den Anker, um weiter Richtung Süd zu segeln. Kaum sind wir um die Ecke der Insel rum, können wir nachvollziehen, warum der Ankerplatz so „rollig“ war. Auf dem flachen Unterwasserplateau und zwischen den vielen kleinen Inselchen der Kotu Gruppe bauen sich derart hohe Wellen auf, dass die Co-Skipperin schon fast geneigt war umzukehren. Thomas kämpft sich aber mit vielen Kursänderungen durch die komplizierte Rifflandschaft und durch die konfusen Wellen. Am Horizont zeigt uns ein Wal den Weg und als wir dann endlich aus dem Gewirr raus sind, wird es auch erträglich. Am Wind bei 5 Beaufort mit gerefften Segeln rauscht Kalibu auf einem Am-Wind-Kurs durch die Welle. Kaum auszumalen wie es den Rahsegelern in der Vergangenheit ergangen sein muss, wenn sie sich in ein solches Riff verirrten.

Bis zum nächsten Ankerplatz vor der zur Inselgruppe Nomuka gehörenden Nomuka Ika Insel sind es nur 22 Meilen. Mittlerweile hat der Wind auf 6 Beaufort aufgefrischt – ein hier typischer, durch ein weiter südlich liegendes Hoch verstärkter Passatwind. Die Insel liegt im Süden des möglichen, durch ein Riff begrenzten Ankerplatzes und bietet daher null Schutz gegen Ostwinde. Unentschieden fahren wir noch eine Runde, um zu sehen ob nicht doch die Nachbarinsel im Norden besser ist. Da kommen wir aber nicht ran, weil wir in diesen Bedingungen den Eingang ins vorgelagerte Riff, den es geben muss – wir sehen Fischerboote geschützt direkt vorm Strand liegen – nicht finden können. Also wieder zurück. Dort fällt der Anker so dicht wie möglich vorm Strand auf 5 Meter Wassertiefe in wenig Sand und vielen Korallen. Zwei “Ankerbällchen“ werden routinemässig zum Schutz der sensiblen Unterwasserlandschaft in die Kette eingefädelt. Zusätzlich sorgt die steife Brise dafür, dass die Kette schön weit über den Korallen schwebt. So werden die Korallen geschont und wir finden den nötigen Schlaf. Auf der kleinen Insel befindet sich nur ein noch kleineres Gefängnis, das von unserem Ankerplatz wie ein Zeltplatz anmutet. Angeblich sind Besucher trotzdem willkommen. Wir sind aber zu spät dran, um noch einen Landausflug zu starten. Eine Runde schwimmen, zu Abend essen und dann schlafen reicht nach einem vollen Schul- und Segeltag völlig aus, finden wir.

Die nächste Etappe führt uns zur Hauptinsel Tonga Tapu, die rund 55 Meilen entfernt liegt. Diesmal geht es direkt nach dem Frühstück los. Der Wind hat sich etwas gelegt, weht aber in Böen immer noch bis 20 Knoten aus Ost-Süd-Ost. Unser Kurs 190 Grad Süd. Es sind keine weiteren Riffe mehr zu umschiffen und so wird es ein entspannter schöner Segeltag. Gegen 4 Uhr nachmittags laufen wir von Westen in das Saumriff um Tonga Tapu ein. Wir ankern vor der kleinen Insel At’ata, auf sehr wenig Sand und vielen Korallen. Damit ersparen wir uns das komplizierte bürokratische Wieder-Einklarieren – plus Wieder-Ausklarieren – und können trotzdem mit einer Fähre auf die Hauptinsel fahren.

At’ata ist sehr klein, Schweine in allen möglichen Grössen grasen auf der Wiese vorm Dorf. Es gibt von Japan geförderte Solar-Strassenbeleuchtung und chinesische Wassertanks. Die Menschen, die im kleinen Resort der Insel arbeiten, sind sehr freundlich und hilfsbereit. Der Strand auf der Windseite ist leider zugemüllt.
Die Hauptstadt Nuku`alofa allerdings macht ein sehr viel besseren Eindruck als es in den verschiedenen Segelreiseführern beschrieben wurde. China und Japan sind sehr aktiv und das größte Gebäude, das Finanzministerium wurde von China gebaut. Die chinesische Botschaft ist ebenfalls sehr prominent. Die EU finanziert kleine solarbetriebene Tuk-Tuks. Wie nicht anders zu erwarten präsentieren sich die Kirchen in vollem Glanz. Sie erinnern schon fast an Kathedralen. Die Basilika wurde durch Freiwillige in Eigenleistung errichtet. Von den durchweg sittsamen Kirchenmitgliedern – Tongaerinnen baden voll bekleidet mit Sarong, aber nicht am Sonntag, dann sind alle Aktivitäten verboten – werden hohe Spenden erwartet. Die belaufen sich angeblich auf ein Fünftel des privaten Haushaltseinkommens, sagt Tony Horwitz in seinem 2004 erschienen Buch „Cook Die Entdeckung eines Entdeckers“. Er beschreibt das heutige Tonga als „ein Tor ins vormoderne Europa, mit absoluter Monarchie, Baronen und Leibeigenen und der Einheit von Kirche und Staat.“ Für ihn ist Tonga nicht das Land, indem die Zeit beginnt – obwohl knapp vor der Datumslinie, dem 180. Längengrad, geht hier die Sonne als erstes auf – sondern ein Land indem die Zeit rückwärts läuft. Bürgerliche können nach wie vor kein Land besitzen. Um den von der königlichen Familie kontrollierten Staatshaushalt ranken sich alle möglichen Skandale. Die Forderungen nach mehr Transparenz werden geflissentlich ignoriert.


Im Friendly Café trinken wir den ersten richtigen Cappuccino seit Anfang des Jahres. Die Menschen sind freundlich und hilfsbereit. Weisse männliche, höhere Angestellte tragen die üblichen langen Röcke zusammen mit einem formalen Hemd, wie auch die Einheimischen.
An Bord gehen die Meinungen über Tonga auseinander, besonders die Co-Skipperin wird pausenlos an ihre katholische Kindheit erinnert und findet die allgegenwärtige Frömmigkeit gewöhnungsbedürftig. Alle Anderen sehen es eher als Folklore und finden die Menschen und die Natur sehr schön. Worüber wir uns alle einig sind ist, dass besonders in Vava’u der Waltourismus überhand genommen hat und das Verhalten der Wale ändert. Trotzdem puschen die Veranstalter das Schwimmen mit Walbabies – ganz sicher vor allem aus wirtschaftlichen Erwägungen. Wir sind jedenfalls nicht mit den Wale geschwommen.

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